Frank Thelen kehrt zu „Die Höhle der Löwen“ zurück: Was sein TV-Comeback für Startups bedeutet

Sep, 9 2025

Warum die Rückkehr von Frank Thelen jetzt Wirkung entfalten kann

Sechs Jahre Funkstille, ein Satz, der reicht: „I’M BACK.“ Ab der Herbststaffel 2025 ist Frank Thelen wieder fester Investor bei VOX’ „Die Höhle der Löwen“. Sein Abgang 2019 sollte Zeit für sein Venture-Capital-Haus Freigeist schaffen. Sein Comeback bringt etwas zurück, das der Show zuletzt öfter fehlte: harte Tech-Fragen, ein Blick auf Skalierung statt nur schnelle Regalplatzierung und die Bereitschaft, auch mal „Nein“ zu sagen, wenn die Zahlen nicht tragen.

Die Rahmenbedingungen sind anders als 2019. Der deutsche Startup-Markt hat nach der heißen Phase 2020/21 einen Realitätscheck hinter sich. Geld ist da, aber es schaut genauer hin. Genau in diesem Klima setzt Thelen an: Er will Deals, die technologisch differenzieren, nicht bloß hübsch verpacken. In seiner Ankündigung versprach er „unfiltertes Feedback“ – und lieferte schon in Folge eins: Nachfrage nach belastbaren Prognosen, Klarheit über die Vision, kein Durchwinken.

Im Investorenteam trifft Thelen auf bekannte Gesichter: Carsten Maschmeyer, Judith Williams, Dagmar Wöhrl und Ralf Dümmel. Neu dabei ist Unternehmerin Janna Ensthaler, die gleich zum Auftakt den Ton setzte: Thelen werde „keine Deals mehr bekommen“. Ein Satz, der zeigt, wie sich der Wettbewerb verschärft. Der Reiz der Sendung lebt von genau dieser Reibung – und davon, wie Gründer in Sekunden entscheiden müssen, wem sie vertrauen.

Wer Thelen aus den frühen Staffeln kennt, weiß: Er reagiert sensibel, wenn Pitches mit hoher Bewertung, aber schwacher Traktion kommen. Er hakt bei Unit Economics nach, will wissen, wie Kunden gewinnen, binden und profitabel bedienen. Das klingt trocken, ist aber entscheidend: Ohne belastbare Kennzahlen bleibt jede Vision ein Versprechen. Thelens Mantra: Technologie ist Mittel zum Zweck – aber der Zweck ist ein funktionierendes, skalierbares Geschäft.

Seine eigene Geschichte prägt diesen Blick. Früher Karrierestart, große Träume – und ein Beinahe-Kollaps. 1,4 Millionen D-Mark Investorengeld verbrannt, Bankkredite, steigende Zinsen, die ihn an den Rand der Privatinsolvenz drückten. Am Ende steht ein Vergleich über 60.000 Euro – Rettung in letzter Minute. Aus dieser Erfahrung spricht er, wenn er heute über Kapitaldisziplin, Fokus und Tempo redet.

Auf der Erfolgsseite stehen aus seiner DHDL-Zeit bekannte Consumer-Brands wie 3Bears und LittleLunch. Aber Thelens Herz schlägt inzwischen vor allem für Deep Tech: Software, KI, Robotik, neue Energie- und Mobilitätslösungen. Freigeist investiert in Teams, die mit Technologie echte Kostenvorteile schaffen oder Kategorien neu definieren. Genau das will er in die Show tragen – auch wenn das Format traditionell viele Konsumgüter sieht.

Die Frage ist: Zieht die Tech-Orientierung on air? Nicht jede Hightech-Idee lässt sich in sieben Minuten erklären. Wer Software verkauft, hat kein buntes Produkt zum Anfassen. Trotzdem ist der Hebel groß: Ein TV-Auftritt bringt nicht nur Sichtbarkeit. Er zwingt Teams, ihre Story zu schärfen, ihren Nutzen auf den Punkt zu bringen – intern ein unterschätzter Booster.

Die erste Folge ließ erkennen, wohin es gehen könnte. Thelen stieg direkt beim ersten Pitch ein, wollte saubere Forecasts, klare Roadmaps, verständliche Margenlogik. Auch der Ton im Panel wirkte wacher. Ensthaler punktete mit E-Commerce- und Marken-Know-how, Dümmel mit Vertriebspower, Williams mit Markenaufbau und TV-Scaling, Maschmeyer mit Fintech- und Digitalerfahrung, Wöhrl mit Netzwerk und Institutionenblick. Thelen hält die Tech-Fahne hoch. Für Gründer ist das Luxus – sie bekommen mehrere Perspektiven in Echtzeit.

Eine unterschätzte Wirkung der Show ist der sogenannte „DHDL-Effekt“: Selbst wer ohne Deal rausgeht, erlebt oft einen Run auf Shop und Social-Kanäle. Sichtbarkeit kann Lager leeren – oder Fehler brutal offenlegen. Schlechte Lieferkette? Dann kippt die Stimmung in Stunden. Thelen mahnt deshalb regelmäßig, nicht nur Pitch-Decks zu polieren, sondern Operations stabil aufzusetzen: Zahlungsabwicklung, Kundenservice, Fulfillment.

Wie passt das zu Freigeist? Das Team investiert früh, oft vor klassischem VC-Einstieg, und baut mit Gründern die ersten Meilensteine: Produkt-Market-Fit, IP-Strategie, Teamstruktur. Thelen nutzt TV-Reichweite als Trichter – Dealflow, Marke, Zugang. Entscheidend ist, dass er die Scheinwerfer nicht mit Blindflug verwechselt. Sein Ziel: weniger Bauchgefühl, mehr Fakten, trotzdem Mut zur Wette, wenn Timing und Team stimmen.

Interessant wird, ob sein Comeback die Deal-Mischung verschiebt. Die Show war in den letzten Jahren ein Sprungbrett für Food, Beauty, Haushaltshelfer. Tech kam vor, aber selten tief. Mit Thelen steigt die Chance auf Software-, Klima- und Hardware-Pitches, die nicht in die Kühltheke, sondern in Fabrikhallen, Rechenzentren oder Energieparks führen. Das macht die Sendung erklärungsintensiver – und relevanter für das Ökosystem.

Wichtig ist auch die neue Konkurrenz im Panel. Janna Ensthaler bringt Wachstums- und Markenexpertise, denkt stark aus Kundensicht und Online-Kanälen. Ihre Ansage an Thelen war mehr als ein Spruch: Sie spielt offensiv. Für Gründer heißt das, sich nicht von Namen blenden zu lassen. Der beste Löwe ist der, der zur Strategie passt – nicht der bekannteste.

Ralf Dümmel bleibt die Allzweckwaffe für Handel und Teleshopping. Wer Verpackung, Preis und Produktionskette im Griff hat, kann mit ihm in Wochen national ausrollen. Judith Williams skaliert Marken, besonders im Kosmetik- und Health-Segment, und versteht TV-Launches. Carsten Maschmeyer challengt Businesspläne und Capital Raising. Dagmar Wöhrl bringt Türen in Politik, Verbände und Mittelstand zum Schwingen. Thelen ergänzt das Bild: Tech-Stack, Produktfokus, Skalierung über Software und IP.

Was bedeutet das für Gründerinnen und Gründer, die 2025 pitchen wollen? Wer Thelen an Bord holen möchte, muss über die Bühne hinausdenken. Der Pitch beginnt mit dem Problem – messbar, groß, schmerzhaft. Dann die Lösung – nicht nur „cool“, sondern besser, billiger oder schneller als der Status quo. Und dann die Beweise: Pilotkunden, Wiederkaufraten, Einheitenökonomie. Ohne diese Hausaufgaben wird es schwer.

Was Gründerinnen und Gründer in dieser Staffel erwartet

Was Gründerinnen und Gründer in dieser Staffel erwartet

Die Show bleibt Show – aber mit mehr Tiefgang. Rechenwege gehören auf die Bühne. Wer Marktvolumen nennt, sollte erklären, wie man es erreicht. Wer eine Bewertung fordert, sollte die Pfade dorthin zeigen: Umsatz pro Kunde, Vertriebskanäle, Bruttomarge, Fixkosten-Drift. Thelen hat wenig Geduld mit „Wir sind einzigartig“-Sätzen ohne Beleg. Er will Wettbewerb kennen, Moats benennen, Patente oder technische Schulden offenlegen.

Damit wächst die Chance auf Tech-Deals – und das Risiko für Teams, die sich in Vision verlieren. Ein gutes Zeichen ist, dass Thelen nicht nur Taktiken, sondern Strategien abfragt: Wie sieht das Produkt in sechs, zwölf, 24 Monaten aus? Welche Features sind Kern, welche nice-to-have? Wie vermeidet ihr, dass Roadmaps zu Bauchläden werden? Diese Fragen entscheiden oft mehr als die erste Umsatzkurve.

Spannend wird außerdem der Einfluss auf Bewertungen. TV-Deals leiden manchmal unter der Show-Dynamik: Mitbieten, Zeitdruck, wenig Due Diligence. Thelen hat historisch eher gebremst, wenn Preise ausufern. Das holt Erdung in die Verhandlungen – und lässt Abschlüsse solider wirken. Für Gründer kann das unbequemer sein, langfristig aber gesünder: Weniger Verwässerung bei klarem Pfad, oder ein bewusstes Nein statt eines schlechten Ja.

Die Rückkehr hat noch einen anderen Effekt: Sie zeigt Gründern, dass man Medienpräsenz taktisch nutzen kann. Thelen verbindet TV-Reichweite mit Dealflow und dem VC-Apparat im Hintergrund. Das ist kein Widerspruch, wenn Transparenz stimmt. Er hat klar gemacht, dass Feedback hart bleibt. Genau das macht die Show glaubwürdiger: Niemand gewinnt, wenn Investoren Applaus spenden und hinter der Bühne abwinken.

Seine Karriere lehrt Demut. Der Fast-Kollaps zu Beginn macht ihn allergisch gegen Luftschlösser. Gleichzeitig ist er risikobereit, wenn Technologie und Timing passen. Das Spannungsfeld – mutig, aber nicht leichtsinnig – zieht sich durch seine Investments. Bei 3Bears und LittleLunch ging es um Marke und Vertrieb. In seinem heutigen Portfolio dominieren Teams, die über Software und Hardware neue Kostenkurven zeichnen wollen. Beide Welten brauchen Disziplin, aber sie messen Erfolg unterschiedlich: die eine in Regalmeter, die andere in Skaleneffekten.

Für das Ökosystem ist der Zeitpunkt günstig. Deutschland hat starke Forschung, guten Mittelstand, aber oft eine Lücke zwischen Labor und Markt. Eine TV-Bühne, die auch Deep-Tech verdaulich macht, kann Gründer ermutigen, früher nach draußen zu gehen. Sie zwingt, Nutzen zu zeigen, nicht nur Technologie. Wenn das gelingt, wächst die Pipeline für Anschlussfinanzierungen – und genau dann kommen auch wieder größere Tickets ins Land.

Der Wettbewerb im Panel bleibt sportlich. Ensthaler fordert Thelen, Thelen fordert die Zahlen, Williams und Dümmel fordern Tempo, Maschmeyer fordert die Story, Wöhrl fordert die Realisierbarkeit. Für das Publikum entsteht eine Staffel, die weniger gefällig, aber spannender wirkt. Eine Bühne, die Fehler nicht kaschiert, sondern offenlegt – und die besten Teams belohnt.

Wer selbst pitchen will oder sich vorbereiten möchte, kann diese Checkliste nutzen – sie spiegelt, was Thelen erfahrungsgemäß hören will:

  • Problem und Zielkunde: Wer leidet heute – und wie viel kostet dieser Schmerz?
  • Produkt und Technologie: Was ist der technische Vorteil? Ist er kopierbar? Gibt es IP?
  • Unit Economics: Deckungsbeitrag, CAC, LTV, Payback – aktuell und Zielwerte.
  • Go-to-Market: Welche Kanäle funktionieren? Welche Experimente liefen? Welche Kosten?
  • Roadmap: Nächste 6–12–24 Monate, Meilensteine, Ressourcenbedarf.
  • Team: Warum ihr? Welche Lücken füllt ihr mit dem Investment?
  • Bewertung: Welche Annahmen rechtfertigen sie? Szenarien, nicht nur Best Case.

Bleibt die Frage: Was heißt das alles für „Die Höhle der Löwen“? Das Format hat gezeigt, wie TV und Unternehmertum zusammengehen können. Mit Thelen rückt der Blick auf technologiegetriebene Modelle wieder stärker in den Vordergrund. Gleichzeitig bleiben Konsumgüter wichtig – nicht jeder braucht KI, um ein gutes Geschäft zu bauen. Der Mix macht die Staffel attraktiv: anfassbare Produkte für den Sofaeffekt, harte Tech-Pitches für den Kopf.

Die ersten Eindrücke deuten auf eine Staffel hin, die sich traut, mehr zu fragen und weniger zu behaupten. Das ist gut für Gründer, gut für Investoren – und gut für Zuschauer, die nicht nur Entertainment, sondern echte Einblicke in unternehmerisches Entscheiden sehen wollen. Thelens Satz „Mein Feedback bleibt ungeschönt“ ist kein Marketing, sondern ein Programm. Und das hat in der deutschen Startup-Szene gerade Hochkonjunktur.