Am 21. Oktober 2025 hat die Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Kaja Kallas, mit deutlichen Worten erklärt: Ukraine darf kein einziges Stück Land an Russland abtreten – nicht jetzt, nicht später, nicht unter Druck. Ihre Aussage war keine diplomatische Floskel, sondern eine klare Abwehrhaltung gegen die jüngsten Signale aus Washington, wo US-Präsident Donald Trump offenbar Zelensky dazu gedrängt haben soll, die Region Donezk an Moskau zu überlassen. Es ist kein Zufall, dass Kallas, die einstige estnische Ministerpräsidentin, gerade jetzt mit solcher Schärfe auftritt. Sie weiß, worum es geht: nicht nur um Land, sondern um die Zukunft der europäischen Sicherheitsordnung.
Was hat Trump wirklich gesagt?
Am 19. Oktober 2025, nur zwei Tage vor Kallas’ Erklärung, fand ein hochkarätiges Treffen im Weißen Haus statt: Trump, Zelensky und mehrere europäische Führungskräfte saßen an einem Tisch. Laut Financial Times drängte Trump Zelensky, territoriale Zugeständnisse zu machen – und warnte: Putin drohe, die Ukraine "zu zerstören", wenn sie nicht einwillige. Trump bestreitet das heute – aber nicht, dass er in einem Interview mit Fox News sagte: "Er wird etwas nehmen. Er hat eine Menge ukrainisches Eigentum. Er hat gewisse Eigentümerrechte gewonnen." Das klingt nicht nach Friedensvermittlung. Es klingt nach Realpolitik mit einem Hauch von Kapitulation.Die Ukraine selbst hat seit Februar 2025 einen bedingungslosen Waffenstillstand angeboten – doch Russland hat nie reagiert. "Sie haben keine echte Friedensabsicht", sagte Kallas am Rande des EU-Außenministertreffens Ende Oktober. "Sie nutzen jede Pause, um neue Angriffe vorzubereiten. Sie bombardieren Kraftwerke, um Kinder im Dunkeln sitzen zu lassen. Das ist kein Krieg. Das ist Terror."
Die Falle des Kremls
Kallas spricht von einer "Falle" – und sie meint das wörtlich. Seit Monaten versucht der Kreml, die internationale Gemeinschaft dazu zu bringen, über "realistische Lösungen" zu reden. Über "Kompromisse". Über "was Ukraine opfern muss". Aber wer opfert, wenn der Angreifer nichts gibt? Wer zahlt, wenn der Täter nur mehr Geld braucht? "Russland hat keine einzige Konzession gemacht", betont Kallas. "Und wir reden immer noch darüber, was Ukraine aufgeben soll?"Das ist der Kern: Die westliche Diplomatie hat sich oft in die Rolle des Vermittlers gedrängt. Aber wenn einer der Konfliktparteien gar nicht vermitteln will – sondern nur gewinnen – dann wird Vermittlung zur Komplizenschaft. Kallas hat das verstanden. Sie erinnert daran, dass die Ukraine nicht um Hilfe bettelt. Sie kämpft. Und sie sagt: "Wenn wir ihnen die Mittel geben, können sie alles zurückholen. Sie wollen nicht aufgeben. Sie sagen uns: ,Helft uns, dann schaffen wir das.‘"
Die Waffe der Finanzen
Während Trump mit Worten spielt, baut Kallas eine andere Front auf: die finanzielle. Beim EU-Außenministertreffen wurde beschlossen, das 19. Sanktionspaket gegen Russland zu verabschieden – mit einem neuen, entscheidenden Baustein: der Nutzung eingefrorener russischer Vermögenswerte für die Ukraine. "Jeder Euro, den wir Russland verwehren, ist ein Euro, den es nicht mehr für Waffen ausgeben kann", sagt Kallas. "Und wenn wir diese Mittel für die Verteidigung nutzen – dann senden wir eine Botschaft: Ihr könnt nicht gewinnen, weil ihr nicht länger über Geld verfügt."Das ist kein neuer Gedanke. Seit 2022 liegen über 300 Milliarden Euro russischer Vermögenswerte in europäischen Banken eingefroren. Bislang wurden nur winzige Teile für Wiederaufbau verwendet. Kallas will jetzt einen "Reparationskredit" einführen – eine Art internationale Pfandkreditlinie, die die Ukraine direkt mit den Einkünften aus den eingefrorenen Aktien, Immobilien und Bankguthaben versorgt. "Das kann eine sehr starke Botschaft an Moskau sein: Ihr könnt uns nicht ausdauern."
Wer steht hinter Kallas?
Ihr Kurs ist nicht populär in allen Hauptstädten. US-Beamte werfen ihr vor, die EU-Außenpolitik zu "estnisch" zu machen – also zu konfrontativ, zu anti-russisch. Dabei ist sie nur konsequent. Als Estland 2014 nach der Annexion der Krim ihre erste russische Botschaft schloss, war sie eine der ersten, die das tat. Sie weiß, was passiert, wenn man einen Aggressor nicht sofort stoppt. Sie hat gesehen, wie Russland Georgien, die Ukraine und jetzt wieder Europa bedroht. Und sie weiß: Die USA haben in den letzten Monaten ihre eigene Position verwirrt. Trump lobt Putin, kritisiert Zelensky, verspricht dann etwas, bricht es – und macht sich dann zum Vermittler, der gar keine Lösung hat.Das Atlantic Council nannte Trumps Russland-Politik "widersprüchlich und inkonsistent" – und das ist eine diplomatische Formulierung. Tatsächlich ist es eine Politik ohne Prinzipien. Kallas hingegen hat Prinzipien. Sie sagt: Wer angreift, verliert. Wer sich wehrt, hat Recht. Und wer Land opfert, macht den Angreifer stärker.
Was kommt als Nächstes?
Im November soll das neue Sanktionspaket offiziell verabschiedet werden – mit einem klaren Fokus auf die Finanzierung der ukrainischen Verteidigung. Kallas reist bald nach Tokio, um Japan und Südkorea für die Nutzung eingefrorener Vermögenswerte zu gewinnen. Gleichzeitig bereitet sie einen Antrag für eine EU-Resolution bei der UN vor, die die russischen Angriffe auf zivile Infrastruktur als Kriegsverbrechen einstuft. Und sie arbeitet mit der ukrainischen Regierung an einem Plan, wie die befreiten Gebiete nach der Rückeroberung wieder aufgebaut werden – ohne russische Einflussnahme.Die Zeit läuft. Aber nicht für die Ukraine. Für Russland. Denn je länger der Krieg dauert, desto mehr Geld fließt aus den eingefrorenen Konten in die ukrainischen Kasernen, in die Reparatur von Stromleitungen, in die Schulen, die wieder geöffnet werden. Kallas sagt: "Wir geben nicht auf. Und wir geben auch kein Land auf."
Frequently Asked Questions
Warum lehnt Kallas Territorialverzicht so strikt ab?
Kallas argumentiert, dass jeder Territorialverzicht die Botschaft sendet, dass Aggression erfolgreich sein kann. Russland hat seit 2014 keine einzige Konzession gemacht – stattdessen erobert es weiter Gebiete. Wenn die Ukraine jetzt Land abtritt, ermutigt das Moskau zu weiteren Angriffen, etwa auf Moldawien oder die baltischen Staaten. Die Erfahrung zeigt: Territoriale Zugeständnisse führen nicht zu Frieden, sondern zu neuen Konflikten.
Wie realistisch ist die Rückeroberung aller ukrainischen Gebiete?
Kallas betont, dass es möglich ist – wenn die Ukraine die nötige militärische und technische Unterstützung erhält. Die ukrainischen Streitkräfte haben bereits bewiesen, dass sie große Gebiete zurückerobern können, wie etwa Kherson 2022. Mit modernen Luftabwehrsystemen, Langstreckenwaffen und intelligenter Aufklärung ist eine Rückeroberung strategisch machbar. Der entscheidende Faktor ist nicht die Moral, sondern die Ausrüstung – und genau dafür kämpft Kallas.
Was passiert, wenn die USA die Unterstützung für die Ukraine reduzieren?
Kallas warnt: Ohne US-Luftabwehr und Langstreckenmunition könnte die Ukraine im Frühjahr 2026 in einer kritischen Lage sein. Deshalb baut die EU auf alternative Finanzierungsmodelle – wie die Nutzung eingefrorener russischer Vermögenswerte. Derzeit sind über 300 Milliarden Euro eingefroren. Selbst wenn nur ein Zehntel davon für Waffen und Infrastruktur genutzt wird, könnte das die Ukraine bis 2027 stabil halten – unabhängig von Washingtons politischen Schwankungen.
Warum ist Kallas so wichtig für die EU-Außenpolitik?
Als erste Frau und erste Ostbaltin an der Spitze der EU-Außenpolitik bringt Kallas eine einzigartige Perspektive mit: Sie hat erlebt, wie ein kleines Land gegen einen Großmachtangriff kämpft. Ihre Erfahrung als estnische Ministerpräsidentin prägt ihre Haltung: Diplomatie ohne Rückgrat ist eine Einladung zur Aggression. Sie verändert die EU von einer bloßen Handelsmacht in eine sicherheitspolitische Akteurin – mit klaren Regeln und ohne Illusionen.
Wie reagiert Russland auf Kallas’ Haltung?
Moskau bezeichnet Kallas als "provokative Politikerin mit einem anti-russischen Fanatismus". In offiziellen Statements wird sie als "Instrument der westlichen Aggression" dargestellt. Gleichzeitig hat Russland jedoch ihre Forderungen nach der Nutzung eingefrorener Vermögenswerte nicht direkt angegriffen – ein Zeichen, dass sie den Schmerz trifft. Die russische Wirtschaft ist bereits angespannt; jede zusätzliche Belastung durch verlorene Vermögenswerte könnte die Inflation weiter anheizen.
Was bedeutet das für Deutschland und andere EU-Staaten?
Deutschland und andere EU-Staaten stehen vor einer Wahl: Entweder sie folgen der US-Politik, die zunehmend unvorhersehbar ist – oder sie stärken die EU als eigenständige Sicherheitsmacht. Kallas’ Ansatz bedeutet mehr Militärausgaben, mehr Sanktionen und mehr Verantwortung. Aber sie sagt: Wer Frieden will, muss bereit sein, dafür zu kämpfen – und nicht nur zu verhandeln.